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Geltendmachung von Ansprüchen durch einen Beamten wegen Mobbings

(Bild: © pict rider – stock.adobe.com)

Geltendmachung von Ansprüchen durch einen Beamten wegen Mobbings

04. Juli 2024

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7 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Die Deckungsabgrenzung zwischen dem Schadenersatz-RS und dem Arbeitsgerichts-RS scheint auf den ersten Blick kein großes Problem darzustellen; doch weit gefehlt, wie man an den Entscheidungen des OGH zu 7 Ob 118/20h und zu 7 Ob 202/11y sowie der RSS-Empfehlung 10/17 sieht. Denn: OGH und RSS entscheiden völlig konträr … und dennoch haben beide Recht. Wie so oft kommt es auch hier auf die konkrete Ausgestaltung der ARB an.

Artikel von:

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien

Zur Ausgangssituation

Den drei genannten Fällen liegt ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde: Der VN machte jeweils als Beamter Amtshaftungsansprüche gegen seine (früheren) Dienstgeber geltend und begründet diese im Wesentlichen mit systematischen Mobbing- und Bossingvorwürfen durch Mitarbeiter und Vorgesetzte über einen längeren Zeitraum; die Republik Österreich sei ihm im Wege der Amtshaftung zu Schadenersatz verpflichtet, weil sie gegen ihre Fürsorgepflichten als Dienstgeberin verstoßen habe, indem sie es unterlassen habe, ihn vor diesem Mobbing zu schützen.

Fraglich bzw. strittig war jeweils die konkrete Zuordnung zum Rechtsschutz-Baustein Schadenersatz-RS oder Arbeitsgerichts-RS sowie in weiterer Folge die Festlegung des Versicherungsfalls, die unterschiedlichen Regimen folgen: Im Schadenersatz-RS der Ereignistheorie, im Arbeitsgerichts-RS der Verstoßtheorie.

Seitens der Rechtsschutzversicherer wurde in allen drei Fällen im Wesentlichen vorgebracht, der Sachverhalt würde in den Risikobaustein Arbeitsgerichts-Rechtsschutz fallen, da dienstrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden würden; damit würde in weiterer Folge die Verstoßtheorie nach Artikel 2.3. ARB zur Festlegung des Versicherungsfalls heranzuziehen sein, sodass der Versicherungsfall (als Verstoßbeginn) mit dem Beginn der Mobbing- und Bossinghandlungen – also „weit“ in der Vergangenheit liegend – festzulegen sei.

Unterschiedliche Risikobeschreibungen und -abgrenzungen

Schadenersatz-Rechtsschutz

Der Schadenersatz-Rechtsschutz des Artikel 19 ARB umschreibt das versicherte Risiko i.d.R. mit der „Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens“. Damit zählen grundsätzlich auch Amtshaftungsverfahren mit dem VN als Anspruchsteller dem Schadenersatz-RS zugeordnet (siehe bereits RIS-Justiz RS0123768).

Arbeitsgerichts-Rechtsschutz „alt“

Der primären Risikobeschreibung des Arbeitsgerichts-RS zufolge umfasst der Versicherungsschutz regelmäßig die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Verfahren vor österreichischen Gerichten als Arbeitsgerichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Arbeits- oder Lehrverhältnissen.

Darüber hinaus kennt die Risikoumschreibung i.d.R. auch eine Spezialumschreibung bzw. Erweiterung für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse. Auf Basis der Muster-ARB vor 2015 hatte diese wie folgt gelautet: Versicherungsschutz besteht bei „öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen bezüglich dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlicher Ansprüche sowie abweichend von Artikel 7.1.2.6. auch für Disziplinarverfahren.“ Diese Textierung entsprach auch der Bedingungssituation in den beiden gegenständlichen OGH-Fällen 7 Ob 118/20h und 7 Ob 202/11y.

Arbeitsgerichts-Rechtsschutz „neu“ i.V.m. Deckungsabgrenzungsausschluss im Schadenersatz-RS

Die Muster-ARB 2015 reagierten auf das OGH-Urteil 7 Ob 202/11y, indem sie die Deckungsbeschreibung des Arbeitsgerichts-Rechtsschutzes für öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse erweiterten. Nun sind neben dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Ansprüchen auch andere rechtliche Interessen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vor österreichischen Zivilgerichten abgedeckt. Gleichzeitig wurde im Schadenersatz-Rechtsschutz mit Artikel 19.3.2.1. ein neuer Deckungsabgrenzungsausschluss eingeführt: Dieser schließt die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit Arbeits- und Lehrverhältnissen aus, außer nach Maßgabe des Artikel 20. Rechtsschutzversicherungs-Bedingungen, die diesem Muster folgen, verschieben somit die Deckungsgrenze weg vom Schadenersatz-Rechtsschutz hin zum Arbeitsgerichts-Rechtsschutz bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen, was den Anwendungsbereich des Schadenersatz-Rechtsschutzes verkleinert und den des Arbeitsgerichts-Rechtsschutzes vergrößert.

Entscheidungen des OGH und der RSS

OGH 7 Ob 118/20h und 7 Ob 202/11y

Den OGH-Causen waren ARB zugrunde gelegt, in denen weder die Deckungserweiterungen im Arbeitsgerichts-RS hinsichtlich der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen noch die Deckungsabgrenzung im Schadenersatz-RS i.S.d. Art 19.3.2.1. Muster-ARB 2015 beschrieben war.

Der OGH kommt unter Zugrundelegung dessen in diesen Fällen daher konsequenterweise zum Ergebnis, dass die Amtshaftungsansprüche des VN unter den Schadenersatz-RS des Art. 19 ARB zu subsummieren sind und für die Festlegung des Versicherungsfalls die Ereignistheorie (Art. 2.1. ARB) heranzuziehen ist.

RSS-E 10/17

Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag des VN in der RSS-Causa lag demgegenüber eine Bedingungssituation zugrunde, wie sie den Muster-ARB 2015 entspricht: Die „Wahrnehmung … rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis in Verfahren vor österreichischen Zivilgerichten“ war dem Arbeitsgerichts-RS zugeordnet; zudem wies der Deckungsabgrenzungsausschluss des Art. 19.3.2.1. ARB die Deckung vom Schadenersatz-RS weg dem Arbeitsgerichts-RS zu.

Nachdem also die (im Vergleich zu den OGH-Fällen geänderte) Bedingungslage die Ansprüche des VN der Risikobeschreibung des Arbeitsgerichts-RS zuordnet, hatte die RSS inhaltlich anders zu entscheiden als der OGH.

Schlussfolgerung

Oft sind bloße Nuancen in den Bedingungen entscheidungsrelevant.

In der Praxis stehen vielfach Deckungsabgrenzungen des Schadenersatz-Rechtsschutzes zum allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz hin im Vordergrund. Die hier thematisierte Abgrenzung zwischen dem Schadenersatz-RS und dem Arbeitsgerichts-RS zeigt aber ebenso deutlich die Komplexität der Deckungsabgrenzungen einzelner Rechtsschutz-Bausteine zueinander auf und belegt einmal mehr, dass die konkrete Ausgestaltung der ARB – mögen sich diese auch nur in (vermeintlichen) Nuancen voneinander unterscheiden – für die Frage „Kostendeckung ‚ja‘ oder ‚nein‘ entscheidungsrelevant ist.

Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Juli-Ausgabe!

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