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Negativzinsrekord: Die Alternativen zur Geldvernichtung

Negativzinsrekord: Die Alternativen zur Geldvernichtung

05. September 2019

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Auch im vierten Jahr der Nullzinspolitik ist die Anlagestrategie der Investoren immer noch vom billigen Notenbankgeld geprägt. Immobilien und Aktien sind immer weniger attraktiv bewertet, die Renditen von Staatsanleihen sind fast gänzlich negativ. Wie veranlagen die Profis in diesem Umfeld?

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 9/5/2019

Von Mag. Markus Waghubinger, Redakteur AssCompact und Gründer der finothek GmbH*

Gut zehn Jahre ist es nun her, dass der Leitzins der EZB auf ein Prozent gesenkt wurde. Im Jahr 2016 sogar auf null. Eine temporäre Maßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft, meinten die einen, wir steuern auf japanische Verhältnisse zu, mit dauerhaftem Nullzinsniveau, meinten die anderen. Letztere haben bis dato recht behalten, denn ein Anstieg der Zinsen, wie in den USA, ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Aufgrund der niedrigen Inflation von 1,2% im Euroraum, bei einem Notenbankziel von etwa zwei Prozent, spielt die EZB mit dem Gedanken, weiter Anleihen von den Geschäftsbanken zu kaufen und damit de facto wieder mehr frisches Geld zu drucken. Die Renditen von Anleihen sind deshalb schon länger am Boden, die aktuellen Ankündigungen haben jedoch die zehnjährige Deutsche Staatsanleihe, als wichtigste Benchmark-Anleihe im Euroraum, ein neues Rekordtief bei minus 0,73 Prozent erreichen lassen. Man zahlt also effektiv jährlich 0,7% für die Kapitalanlage, bei Berücksichtigung der Inflation ist das eine Kaufkraftvernichtung von etwa 2% pro Jahr.

Expansive Kreditvergabe kommt nicht in der Wirtschaft an

Viele Beobachter fragen sich, warum überhaupt noch Anleihen gekauft werden, wenn man mit diesen sogar Geld verliert. Warum kaufen Investmentprofis diese Anleihen noch? Die Antwort ist einfach: Viele Käufer haben keine Wahl. Institutionelle Anleger wie beispielsweise Versicherungen müssen einen hohen Anteil an Staatsanleihen halten, um die Anforderungen an Sicherheit, Schwankungsarmut, Kalkulierbarkeit und Liquidität der Vermögenswerte sicherstellen zu können. Geschäftsbanken verfügen über enorme Liquidität, die sie nicht – wie in der Vorstellung der Notenbanker – direkt an die Wirtschaft weitergeben können und stattdessen auch Staatsanleihen ins Portfolio nehmen oder es zu einem negativen Einlagezins von 0,4% zur Zentralbank legen.

Aktienmärkte werden nur von schlechten Alternativen gestützt

An den Aktienmärkten herrscht ob Handelskriegen und Konjunktureintrübungen auch keine Euphorie, die Preise verhalten sich aber aktuell noch weitgehend stabil, weil es schlichtweg zu wenige Alternativen gibt. Während der österreichische Leitindex ATX knapp über der Nulllinie im aktuellen Jahr tingelt, sind der deutsche DAX und der US Dow Jones rund zehn Prozent im Plus. Langfristig macht es sehr viel Sinn, auf Dividenden- oder Wachstumsunternehmen zu setzen, und so mutiert die Aktie zur Hauptanlageklasse vieler Investoren und hat in vielen Portfolios die Anleihe vom Thron gestoßen.

Wie legen besonders Vermögende in diesem Umfeld an?

Private Kleinanleger in Deutschland haben eine hohe Affinität für sichere Anlagen in Form von Spareinlagen, Bausparverträgen und Staatsanleihen. Das trifft auch auf die österreichischen Anleger zu. Ab einigen Millionen Anlagesumme leistet man sich in der Regel professionelle Wealth Manager oder gar ein eigenes oder geteiltes Family Office. Diese Vermögensmanager kümmern sich nicht nur um das Wertpapierdepot, sondern um alle Vermögensbelange. Sammlerstücke wie Kunst oder Oldtimer stehen dabei genauso hoch im Kurs wie Private Equity. Bei Private Equity handelt es sich um nicht börsennotierte Unternehmensbeteiligungen, die im Gegensatz zu Aktien oft günstiger bewertet sind, weil die Einstiegsbarrieren in den Markt höher sind. Das Pendant im Bereich Fremdkapital, Private Debt, wird ebenfalls immer beliebter, und so steigt die Anzahl derer, die direkt Darlehen, oft auch mit einem Wandlungsrecht ausgestattet, an Firmen vergeben. Mit Investorenclubs kann man selbst ab etwa 10.000 Euro direkt Unternehmensbeteiligungen eingehen, sinnvoll ist das aber aus Gründen der Risikostreuung nicht unter 100.000 Gesamtinvestmentvolumen.

Man kann davon ausgehen, dass bei vielen Strategien der Anleiheteil bereits auf zehn bis 20% reduziert wurde und die Aktienquote mittlerweile den größten Teil ausmacht. Bei vielen stellen sogar schon die alternativen Investments den größten Anteil des Portfolios dar. Neben den vorhin genannten Anlagen in Kunst, Sammlerobjekte, Private Equity und Debt zählen dazu auch Immobilieninvestments, die sich in den letzten Jahren besonderer Beliebtheit erfreuten. Aber auch das „Betongold“ verliert von seinem Glanz. Viele Großinvestoren fahren gerade ihre Immobilieninvestments zurück, weil die Preisentwicklungen der letzten Jahre zwar großartig waren, aber der Effekt von niedrigen Zinsen nicht ewig anhalten kann.

Private Equity für Kleinanleger

Angesichts der schwindenden Attraktivität von Anleihen, Aktien und Immobilien und mittlerweile negativen Realrenditen im Gesamtdurchschnitt ist es ratsam, eine Cash-Rücklage aufzubauen, um in Zeiten vor Kursrückgängen auf eine gefüllte Kriegskasse zurückgreifen zu können und Qualitätsaktien oder Anteile an Immobilienfonds günstig erwerben zu können. Für den Kleinanleger gibt es in Form von Crowdinvesting ebenfalls die Möglichkeit, die bei Superreichen beliebten Private Equity/Debt-Investments zu tätigen – natürlich nur bei entsprechender Risikoeignung. Dabei unterstützt man nicht nur vorwiegend innovative, junge Unternehmen, sondern erhält auch noch attraktive Zinsen von über fünf Prozent. Dabei ist jedoch die nötige Vorsicht bei der Auswahl geboten und eine breite Streuung zu empfehlen. Gerade junge und innovative Unternehmen scheitern auch mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit als dies etablierte, börsennotierte Unternehmen tun. Aber mit einem solchen Investment ist man immerhin näher an der Realwirtschaft als mit negativ verzinsten Staatsanleihen, und das ist ja schließlich das Ziel der expansiven Notenbankpolitik.

*gekürzte Version; der gesamte Artikel erscheint in der AssCompact September-Ausgabe.

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