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Kfz-Versicherung: Sparte im Wandel? – Teil 2

Kfz-Versicherung: Sparte im Wandel? – Teil 2

21. März 2024

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10 Min. Lesezeit

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Recht & Wissen

Tobias Kohl (Chief Customer Officer der Wüstenrot Gruppe), Kurt Möller (Mitglied des Vorstands der Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft und Chief Underwriting Officer) und Mag. Christian Noistering (ERGO Vorstand Marketing und Vertriebskommunikation) sprechen im Interview über die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen in der Kfz-Versicherung.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 3/21/2024

In Österreich steht die Telematik-Technologie in der Kfz-Versicherung noch vor Herausforderungen, hauptsächlich aufgrund der Sensibilität des Marktes gegenüber technologischen Veränderungen und Datenschutzbedenken der Versicherungsnehmer. Aktuell besteht in Österreich (noch) keine hohe Nachfrage nach Telematik-basierten Versicherungsprodukten. Doch das könnte sich in Zukunft ändern.

Auch Tobias Kohl erwähnt, dass Telematik-Technologien möglicherweise in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnten: „Die Einführung von Telematik-Technologien könnte in der Zukunft an Bedeutung gewinnen, wenn die technologischen Entwicklungen weiter voranschreiten und sich die Marktanforderungen dementsprechend ändern. Die Integration von Telematik-Technologien in der Kfz-Versicherungsbranche ist aktuell noch kein zentrales Thema für Wüstenrot.“

Kurt Möller erklärt, dass Zurich derzeit keinen Telematik-Tarif anbietet: „Wir verfolgen aber die Entwicklungen bei dem Thema mit großem Interesse und tauschen uns innerhalb der Zurich Gruppe aus, um die Erkenntnisse und auch Herausforderungen von Telematik Tarifen zu verstehen. Unser Fokus liegt aber aktuell woanders, nämlich bei Elektromobilität und Assistenzsystemen.“

Mag. Christian Noistering weist darauf hingewiesen, dass Telematik-Technologien bereits vor etwa 20 Jahren als bahnbrechend für die Kfz-Versicherung betrachtet wurden, aber die erwartete Revolution bisher ausgeblieben ist: „In einigen Ländern zeichnen Sensoren bereits Fahrdaten wie Geschwindigkeit, Beschleunigung und das Bremsverhalten mit on-board Units oder mittels Apps auf dem Handy auf. „Gute Fahrer“ werden so schließlich mit Abschlägen in der Prämie belohnt. In Österreich hat sich der Zugang zu Versicherungsprodukten, die eine „Überwachung oder Messung“ des Fahrverhaltens beinhalten, noch nicht etabliert und wird bei uns insofern auch nicht forciert.“

Tobias Kohl betont die Sensibilität des Kfz-Marktes gegenüber technologischen Veränderungen und die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Herangehensweise, die technologische, ethische und rechtliche Aspekte berücksichtigt: „Die Anpassung der Prämien basierend auf dem Fahrverhalten kann oftmals von unseren Kunden als gezielte Überwachung wahrgenommen werden. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die technologische, ethische und rechtliche Aspekte gleichermaßen berücksichtigt und eine offene und transparente Kommunikation mit Kunden und Vertriebspartnern sicherstellt.“

Kurt Möller hebt die Bedeutung der Akzeptanz seitens der Kunden hervor: „Und es tut sich eine Reihe von Fragen auf, etwa wem die Daten gehören, wie sie verwendet werden und verwendet werden dürfen. Da geht es auch um ethische Aspekte. Eine weitere Herausforderung ist natürlich auch die Preisgestaltung und die Umsetzung in unseren internen Systemen.“

Mag. Christian Noistering sieht die größte Herausforderung in der Akzeptanz der Versicherungsnehmerinnen und -nehmern: „Da aktuell in diesem Bereich österreichweit keine wirkliche Nachfrage besteht, konzentrieren wir uns eher auf andere Potenziale des österreichischen Markts. Sollte sich jedoch zukünftig eine entsprechend große Nachfrage ergeben, sind wir aufgrund konzernseitig vorhandener Lösungen relativ schnell in der Lage, ein kundenbedarfsorientiertes und DSGVO konformes Produkt auf den Markt zu bringen.“

Autonomes Fahren: „Neue Techniken erzeugen neuen Versicherungsbedarf“

Auch die Entwicklung autonomer Fahrzeuge spiele laut Kohl aktuell noch keine entscheidende Rolle in der Versicherungsbranche. Dennoch sei es wichtig, die zukünftigen Auswirkungen auf die Kfz-Versicherungsbranche im Auge zu behalten: „Die Frage nach der Haftung und dem Regress bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen ist noch zu unklar. Die Produkthaftung und die Klärung von Schadenfällen bei autonomen Fahrzeugen stellen eine rechtliche und versicherungstechnische Herausforderung dar. Es ist entscheidend, sich zukünftig proaktiv auf diese Entwicklungen vorzubereiten und entsprechende Anpassungen rechtzeitig umzusetzen.“

Kurt Möller sieht ebenfalls noch keine neuen Produkte, die spezifisch für autonomes Fahren entwickelt wurden: „Es gibt ja bereits jetzt halb-autonome Technologien, die die Schadenfrequenz reduzieren. Da parallel aber der Durchschnittschaden steigt, wird dieser Effekt wieder wettgemacht.“

Mag. Christian Noistering ist überzeugt, sobald eine neue Technik neuen Versicherungsbedarf erzeugt, auch die Versicherungsdeckungen angepasst werden: „Dies ist zuletzt bei E-Autos geschehen, um den neuen Versicherungsbedarf rund um Akku und das Laden zu decken. Darauf haben wir mit unserem 'Elektro Plus' Paket für E-Autos reagiert. Seriöse Studien gehen aber davon aus, dass mit dem flächendeckenden Einsatz vollständig autonom bewegter Fahrzeuge erst ab etwa 2040 zu rechnen ist. Wir halten also auch hier Augen und Ohren offen, um unseren Produktentwicklungszyklus an den absehbaren Bedarf jederzeit rechtzeitig anpassen zu können.“

Vergleichsportale: „Es ist anzunehmen, dass in der Zukunft der Anteil der Online-Abschlüsse in Österreich steigt“

Der Anteil des Kfz-Geschäfts, das nicht vom Außendienst oder vom ungebundenen Vertrieb, sondern über Vergleichsrechner und Online-Portale kommt, steigt. Auch Tobias Kohl ist dieser Meinung: „Positive Treiber sind neben unseren überarbeiteten, kompetitiven Kfz-Produkten auch die neuen Kooperationen und digitalen Schnittstellen zu unseren Online-Partnern. Für die Zukunft planen wir diesen eingeschlagenen Erfolgsweg konsequent fortzusetzen und weitere Anbindungen mit Online-Portalen auszubauen. Dies stellen wir zudem mit einer personellen Stärkung im Team Digital Sales von Wüstenrot sicher.“

Kurt Möller sieht einen Anstieg in der digitalen Informationsgewinnung: „Wir beobachten, dass sich Kundinnen und Kunden zunehmend online informieren und auch Tarifvergleiche anstellen. Es ist anzunehmen, dass in der Zukunft der Anteil der Online-Abschlüsse in Österreich steigt. Aktuell bewegen sie sich insgesamt aber noch auf einem niedrigen Niveau.“

Mag. Christian Noistering betont, dass trotz des kontinuierlichen Anstiegs bei der Nutzung von Vergleichsrechnern und Online-Portalen in der Kfz-Versicherung in Österreich immer noch das Prinzip "Recherche online - Kauf offline" vorherrscht: „Der Anteil des mit Vergleichsrechnern- und online-Portalen gezeichneten Kfz-Geschäfts steigt zwar kontinuierlich, es bewegt sich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aber immer noch auf niedrigem Niveau, und die klassischen Vertriebswege sind nach wie vor dominierend.“

KI im Kfz-Bereich bietet vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung der Prozesse

Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in die Schadenabwicklung im Kfz-Bereich bietet vielfältige Möglichkeiten zur Verbesserung der Prozesse. Tobias Kohl betont, dass KI dazu dienen sollte, die menschliche Arbeit zu unterstützen und zu verbessern. „ Die Integration von KI in die Schadenabwicklung kann es ermöglichen, den gesamten Prozess noch kundenfreundlicher und effizienter zu gestalten. KI sollte darauf abzielen, die menschliche Arbeit zu unterstützen und zu verbessern, nicht zu ersetzen.“

Kurt Möller erklärt, dass KI bereits in der Schadenanlage automatisiert eingesetzt wird, um Abläufe in der Schadenabwicklung zu vereinfachen oder zu verkürzen: „So kann etwa die Schadenanlage automatisiert erfolgen, was bereits auch schon passiert. Auch das Auslesen von Gutachten oder Rechnungen über automatische Schrifterkennung und darauffolgend die automatisierte Auszahlung. Aktuell stehen wir noch am Anfang dieser Entwicklung, aber zukünftig wird das die Schadenerledigung – etwa nach großflächigen Unwetterereignissen – deutlich erleichtern.“

Mag. Christian Noistering erwähnt, dass die ERGO bereits KI im Eingangsmanagement einsetzt: „Dies bringt uns eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verwaltungsprozesse und entlastet unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von repetitiven, einfachen Standardtätigkeiten. Entscheidungsbasierte KI wird uns alsbald auch bei weniger komplexen Schadenfällen die automatisierte Abwicklung und Zahlung von Standardschäden bringen.“

Hier geht’s zum ersten Teil der Interviewrunden „KFZ-Versicherung“ …

Das gesamte Interview lesen Sie in der AssCompact März-Ausgabe!

Foto oben v.l.n.r.: Mag. Christian Noistering (ERGO Vorstand Marketing und Vertriebskommunikation), Kurt Möller (Mitglied des Vorstands der Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft und Chief Underwriting Officer) und Tobias Kohl (Chief Customer Officer der Wüstenrot Gruppe)

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