Eigentlich ist es ganz einfach: Die Haftung betrifft das Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer (VN) und dem Geschädigten, die Deckung das Rechtsverhältnis zwischen dem VN und dem Versicherer. Da gerade in der Haftpflichtversicherung Haftung und Deckung immer wieder verwechselt werden, hat sich der OGH in 7 Ob 93/23m vom 28.06.2023 mit diesem Thema auseinandergesetzt.
Artikel von:
Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Der VN wird vom Feuerversicherer der Hauseigentümerin in Anspruch genommen, weil er widerrechtlich, ohne jegliche gewerberechtliche Grundlage und Genehmigung eine Kfz-Werkstätte mit einer Hebebühne und Schweißgeräten betrieben hat. Dadurch entstand ein Schaden von rund 300.000 Euro. Der Privathaftpflichtversicherer lehnte die Deckung ab, weil die Tätigkeit des VN nicht unter die Gefahr des täglichen Lebens falle.
Entscheidungsgründe
Bei der Beurteilung des Wesens des Anspruches des VN aus der Haftpflichtversicherung sind das Deckungs- und das Haftpflichtverhältnis zu unterscheiden. Der Versicherungsschutz ist auf die Befreiung von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen gerichtet. Der Versicherungsschutz umfasst nicht die Abwehr jeglicher Ansprüche, sondern nur jener, die grundsätzlich von der Deckungspflicht des Versicherers umfasst sind. Kostendeckung für die Anspruchsfeststellung und Abwehr reicht daher nicht weiter als das materiell gedeckte Risiko. Es herrscht das Trennungsprinzip. Die Frage der zivilrechtlichen Haftpflicht des VN ist im Haftpflichtprozess zwischen ihm und dem Geschädigten zu klären, während der Befreiungsanspruch des VN, wenn er strittig ist, zwischen ihm und dem Versicherer im Deckungsprozess geprüft werden muss. Die Frage, ob der Versicherer Versicherungsschutz zu gewähren hat, ist also von jener zu trennen, ob der VN dem Dritten Schadenersatz schuldet. Im Deckungsprozess sind deshalb Feststellungen über die Tatfragen, die Gegenstand des Haftpflichtprozesses sind, für den Haftpflichtprozess nicht bindend, daher überflüssig und, soweit sie getroffen wurden, für die Frage der Deckungspflicht unbeachtlich.
Kommentar
Diese beispielhafte klare Entscheidung ist all jenen zu empfehlen, die Schwierigkeiten haben, zwischen Haftung und Deckung zu unterscheiden. Haftungsfragen sind im Haftungsprozess zu klären, Deckungsfragen im Deckungsprozess. Es sei allerdings erwähnt, dass auch der OGH in Deckungsprozessen schon einmal festgestellt hat, „der Versicherer hat dem VN zu haften“. Es reicht völlig aus, dass der Versicherer dem VN Deckung zu geben hat, mit der Haftung soll sich der Haftpflichtversicherer gegebenenfalls bei der Abwehr von unberechtigten Forderungen des Geschädigten auseinandersetzen. Auch die vor allem in AVB der Rechtsschutz- und Haftpflichtversicherung erwähnte „Nachhaftungsfrist“ ist natürlich eine Nachdeckungsfrist, weil sie regelt, unter welchen Umständen der Versicherer noch zu decken hat, wenn dem VN der Versicherungsfall erst nach Vertragsende bekannt wird.
Nicht ganz logisch ist der OGH allerdings der Ansicht, dass diese Grundsätze dann nicht gelten, wenn dem VN vom Geschädigten eine Vorsatztat vorgeworfen wird (siehe OGH 7 Ob 145/18k). Im konkreten Fall erwähnt der OGH aber richtig, dass es für die Haftung des VN nicht relevant ist, ob der Schaden im Zusammenhang mit einer privaten, betrieblichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit entstanden ist. Die erste Instanz hat relativ locker die Klage ohne Durchführung eines Beweisverfahrens allein auf Basis von Dokumenten abgewiesen, weshalb das Berufungsgericht die Entscheidung aufgehoben hat. In Anbetracht der strengen Judikatur zur Frage der Gefahr des täglichen Lebens sind die Erfolgsaussichten des VN im zweiten Rechtsgang aber ohnehin nicht übermäßig hoch einzuschätzen.P
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