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DWS: Eine weiche EZB kann nicht für einen harten Euro sorgen

DWS: Eine weiche EZB kann nicht für einen harten Euro sorgen

28. September 2022

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6 Min. Lesezeit

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News-Finanzen

Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve hat den Leitzins abermals angehoben, dieses Mal um 75 Basispunkte auf 3,00 bis 3,25%. Seit März dieses Jahres beträgt der Anstieg damit 300 Basispunkte. Warum die Strategie der EZB jedoch keine oder nur geringe Wirkung gegen die Inflation zeigt, erklärt Xueming Song, Währungsstratege der DWS.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 9/28/2022

Diese aggressive Straffung ist ein Grund für die Stärke des Dollar etwa gegenüber dem Euro, dem Britischen Pfund oder dem Japanischen Yen. Hinzukommt, dass die US-Wirtschaft kaum von der Energiekrise betroffen ist und auch deshalb vergleichsweise gut dasteht. „Allerdings können diese Faktoren nicht erklären, warum beispielsweise der Schweizer Franken, der Mexikanische Peso oder der Brasilianische Real stark geblieben sind, obwohl diese Länder ähnliche wirtschaftliche Probleme haben wie der Euroraum“, so Xueming Song. Auffällig sei dabei, dass die Zentralbanken dieser Länder rigoros gegen die Inflation kämpften.

Zwar hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) zuletzt signalisiert, dass sie gegen die Inflation vorgehen will. Das hat aber eben nicht dazu geführt, dass der Euro gegenüber dem Dollar an Wert gewonnen hat. „Dem Markt fehlt also offensichtlich der Glaube an die Ernsthaftigkeit der EZB“, sagt Song. So gebe es Stimmen an den Kapitalmärkten, die die EZB für eine schwache Zentralbank hielten, die nicht mit der Bundesbank vor der Einführung des Euro verglichen werden könne. Sollte dies der Fall sein, stellt sich die Frage, welche strukturellen Faktoren dafür verantwortlich sein könnten.

Ein Mandat in der Theorie, drei widersprüchliche Mandate in der Praxis

Zunächst ist davon auszugehen, dass gerade die EZB eine Zentralbank sein müsste, die Inflation absolut nicht tolerieren kann, da sie in der Theorie nur ein einziges Mandat hat, nämlich die Preisstabilität. Seit der Einführung des Euros war die Inflation im gemeinsamen Währungsgebiet freilich kein wirkliches Problem gewesen. Erst seit 2022 steigt sie dramatisch. „Gleich bei der ersten Bewährungsprobe hat die EZB jedoch versagt: In mehr als der Hälfte der Länder des Euroraums ist die Inflation mittlerweile zweistellig. Wenn man genau analysiert, sind im Wesentlichen zwei strukturelle Faktoren für dieses Versagen verantwortlich“, erläutert der Währungsstratege.

Der erste Faktor sei, dass die EZB in der Praxis mehrere Mandate verfolge. Als EZB-Präsident Mario Draghi im Juli 2012 angekündigt habe, dass die EZB die Gemeinschaftswährung verteidigen werde „what ever it takes“, habe er neben der Inflationsbekämpfung ein weiteres Ziel eingeführt, nämlich das Scheitern des Euros zu verhindern durch einen stärkeren Fokus auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Draghi machte diese Aussage zu einem Zeitpunkt, als die internationale Gemeinschaft daran zweifelte, dass der Euro angesichts der Verschuldung einzelner Mitgliedsländer bestehen bleiben wird. Die Verschuldungskrise im gemeinsamen Währungsgebiet ist bis heute aber nicht wirklich überwunden. Wenn nun die Inflation und die Zinsen steigen, stellt sich die Frage, wie diese Länder ihre Verbindlichkeiten bedienen sollen. Schließlich ist der Kapitalmarkt rational und verlangt von Ländern mit höheren Schulden eine Risikoprämie. Das kann für die Betroffenen durchaus zu wirtschaftlichen Problemen führen. So hat die EZB ein weiteres Mandat an sich gezogen, nämlich gegen die Fragmentierung der Renditen vorzugehen. Dabei handelt es sich aber um Kreditrisiken und für die Kreditwürdigkeit sollten eigentlich die Finanzministerien verantwortlich sein. Die EZB jedoch schätzt die Situation so ein, dass wegen der Risikoprämien das Funktionieren der Geldpolitik insgesamt in Gefahr sei. „Inflation, Arbeitslosigkeit und Kreditrisiko gleichzeitig zu bekämpfen, ist jedoch schlicht nicht möglich“, resümiert Song.

Heterogener Rat und politische Präsidentin

Der zweite Faktor liegt in der Heterogenität des gemeinsamen Währungsgebiets, die sich in der Haltung der lokalen Zentralbanken widerspiegelt. Die Mitglieder des Rats der EZB kommen zu rund einem Drittel aus Ländern, die fast immer höhere Inflation toleriert haben, um ein kräftigeres Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Daher kann die EZB nur eine weiche Zentralbank sein. Hinzukommt die gegenwärtige Führung der EZB. Präsidentin Christine Lagarde wird allgemein als politische Präsidentin wahrgenommen. „Politik lebt aber von Kompromissen. Die Heterogenität in der Eurozone könnte dadurch also sogar noch verstärkt werden: Wenn es um Zielkonflikte geht, wird noch mehr abgewogen, anstatt sich auf ein Ziel zu konzentrieren. Inflationsbekämpfung kann somit nur halbherzig verfolgt werden. Eine weiche EZB kann also nicht für einen harten Euro sorgen“, sagt der Währungsstratege. Die Bundesbank habe hingegen immer einen strikten Stabilitätskurs verfolgt, um eine starke Wirtschaft herbeizuführen. Die Logik habe folgendermaßen funktioniert: „Stabilität führt zu einer starken Währung und damit sind die Unternehmen gezwungen, innovativ zu bleiben. Am Ende steht eine starke Wirtschaft auf internationaler Ebene“. Symptomatisch könne man aktuell feststellen, dass das Produktivitätswachstum der deutschen verarbeitenden Industrie in den letzten Quartalen fast bei null liege. „Zu behaupten, dass das etwas mit der EZB zu tun hat, ist sicherlich verfrüht und die Datengrundlagen sind zu dünn. Richtig ist aber auch, dass die EZB über die aktuelle Situation reflektieren könnte“, so Song.

Foto oben: Xueming Song, Währungsstratege der DWS

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