Am 24. Oktober kamen im Rahmen des AFPA-Marktdialogs renommierte Fachleute zusammen, um das Thema Altersdiskriminierung im Finanz- und Versicherungssektor zu erörtern. Unter dem Titel „Zu alt, zu analog für Geld und Versicherung?“ moderierte Claudia Schanza ein Gespräch zwischen AFPA-Obmann Michael Herzhofer, Dr. Peter Kostelka (Präsident des Pensionistenverbands Österreich), Mag.a Gabriele Zgubic (Konsumentenpolitik, Arbeiterkammer Wien) und Michael Miskarik (Niederlassungsleiter HDI Lebensversicherung Österreich).
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 06.11.2024
AFPA-Vorstandsmitglied Johannes Muschik eröffnete die Diskussion mit den Ergebnissen einer AFPA-Studie zur Diskriminierung älterer Menschen in der Finanz- und Versicherungsbranche. Das zentrale Anliegen: Senioren, die finanziellen Service benötigen, sehen sich oft Hürden gegenüber. Herzhofer betonte, dass die „Best Ager“ bald die größte Kundengruppe sein werden und appellierte, seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Eine Auswertung der Agenda Austria zeigt, dass 2024 über 54% der wahlberechtigten Bevölkerung in Österreich über 50 Jahre alt sein werden – Tendenz steigend.
Probleme und Lösungsansätze zur Altersdiskriminierung
Die Diskussionsteilnehmenden wiesen auf zahlreiche Probleme hin, die ältere Kunden betreffen. Dr. Peter Kostelka schilderte Beispiele von Altersdiskriminierung bei Bankkrediten und kritisierte die Praxis vieler Versicherungen, bei älteren Versicherungsnehmerinnen höhere Prämien zu verlangen. So zahlen Kunden ab 70 Jahren bei Kfz-Versicherungen bis zu 30% Aufschlag; ab 75 Jahren erfolgt der Abschluss oft nur nach Genehmigung der Geschäftsleitung. „Dies erschwert den Zugang zum Wirtschaftsleben für Ältere erheblich“, erklärte Kostelka.
Ein weiterer Diskussionsschwerpunkt war die zunehmende Digitalisierung im Finanzsektor. Mag.a Gabriele Zgubic beschrieb, wie der Wegfall von Bankfilialen viele Senioren praktisch zwingt, auf Online-Banking umzusteigen. Auch den Zugang zu Finanzprodukten, die nur über ID Austria nutzbar sind, wie die „Bundesschätze“, kritisierte sie: „Für viele ältere Menschen ist der Anmeldeprozess eine kaum überwindbare Hürde.“ Sie forderte daher analoge Alternativen und eine „Wahlfreiheit“ zwischen digitalem und persönlichem Service.
Michael Miskarik unterstrich die Notwendigkeit, dass Versicherungsdienstleister Ältere umfassend unterstützen, etwa beim Abschluss von Kranken- und Pflegeversicherungen. „Einige ältere Personen sind nicht in der Lage, Anträge selbst zu stellen – hier muss professionelle Unterstützung angeboten werden“, erklärte Miskarik. Auch die Komplexität von Produkten sei eine Hürde, insbesondere, wenn etwa die Pensionsversicherung Unterstützung erfordere, die ältere Menschen allein nicht leisten könnten.
Seniorengerechte Versicherungen und neue Beratungsansätze
Ein Kernproblem sei der Mangel an maßgeschneiderten Versicherungsprodukten für ältere Menschen, wie Herzhofer feststellte. Es fehle beispielsweise an Rechtsschutzversicherungen mit Hausbesuchsoption, eine wichtige Ergänzung für Kundinnen mit eingeschränkter Mobilität. Ebenso wünschte sich Miskarik mehr Engagement der Makler, um Senioren umfassend über ihre Möglichkeiten aufzuklären. In einem Drittel der Haushalte der Generation 65+ bestünden laut AFPA-Studie keine aktuellen Versicherungen – ein Zustand, der zu teils erheblichen Deckungslücken führe.
Die Diskutierenden waren sich einig, dass steuerliche Anreize helfen könnten, gerade jüngere Generationen zu einem frühen Abschluss von Vorsorge- und Pflegeversicherungen zu bewegen. Herzhofer erinnerte an erfolgreiche Modelle der 1980er und 1990er Jahre, bei denen steuerliche Vergünstigungen zu einem Anstieg des Versicherungsinteresses führten. Auch Kostelka sprach sich für eine steuerliche Begünstigung aus, da Österreich aktuell im internationalen Vergleich zurückbleibe.
Rechtlicher Schutz vor Altersdiskriminierung
Dr. Kostelka forderte konkrete rechtliche Maßnahmen zur Altersdiskriminierung. So sollte etwa das Diskriminierungsgesetz (VersVG) um das Kriterium Alter ergänzt werden, sodass Altersdiskriminierung explizit verboten wird. Noch weitergehend schlug er eine Änderung der österreichischen Verfassung vor, in der Altersdiskriminierung in Artikel 7 ausdrücklich untersagt wird – analog zur Regelung für Geschlecht oder sexuelle Orientierung.
Zgubic ergänzte die Forderung nach klaren Regulierungsmaßnahmen, um altersdiskriminierendes Verhalten der Versicherer zu verhindern und Wahlfreiheit zu garantieren. Der aktuelle Zwang zur digitalen Transformation dürfe nicht auf Kosten der Senior*innen gehen. „Die Mindestinfrastruktur an Dienstleistungen muss auch offline zugänglich sein“, forderte sie.
Schlussrunde: Appell an Politik und Versicherungsbranche
In der abschließenden Gesprächsrunde machten die Diskutierenden nochmals ihre Forderungen deutlich. Herzhofer betonte, dass Berater und Produktentwickler verstärkt auf die besonderen Bedürfnisse älterer Kunden eingehen müssen. Eine Vernachlässigung dieser Kundengruppe hätte langfristig negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und könnte zu gesellschaftlichen Problemen führen. Miskarik sprach sich für staatliche Unterstützungsmaßnahmen aus, damit Österreich auf den demografischen Wandel vorbereitet ist. Der Fachkräftemangel in der Pflege und Sozialversicherung werde zukünftig verschärft, wenn nicht frühzeitig in Ausbildung und Qualifizierung investiert wird.
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