Doris Wendler ist schon während ihrer Studiums zur Wiener Städtischen gestoßen und hat in ihrer Berufslaufbahn unterschiedliche Bereiche des Versicherungsgeschäfts verantwortet. Mittlerweile ist sie Vorständin der Schaden-/Unfallversicherung der Wiener Städtischen Versicherung und seit 2021 Präsidentin des Kuratoriums für Verkehrssicherheit. Was sich bei der Wiener Städtischen und in der Versicherungsbranche allgemein so tut, darüber spricht Doris Wendler im Interview.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 7/7/2023
Doris Wendler ist 1994 in die Wiener Städtische eingetreten und hat in der Lebensversicherungsmathematik begonnen - zu einer Zeit, wo gerade die Deregulierung stattgefunden hat. „Damals haben wir mit einem Rechnungszins von 3% kalkuliert. Die Gesamtverzinsung betrug damals 7,25%. Wenn ich die letzten 29 Jahre in diesem Bereich Revue passieren lasse, konnten wir irgendwann den Rechnungszins auf 4,25% anheben. In den letzten fast zwei Jahrzehnten ist der Rechnungszins rückläufig Richtung null, was natürlich eine Herausforderung bei der Darstellung der garantierten Versicherungssummen darstellt.“
Im Schaden-Unfall-Bereich haben sich, so Wendler, die Naturkatastrophen sehr viel verändert: „Seit 2010 haben wir 1 Mrd. Euro an Leistungen ausbezahlt. 2021 war für uns mit über 200 Mio. Euro Schaden das teuerste Naturkatastrophen-Jahr.“
Das große Ziel im Schaden-Unfall-Bereich sei, so Doris Wendler, das Hab und Gut der Kundeninnen und Kunden vor finanziellen Folgen nach einem Schaden zu schützen und das Leistungsversprechen einzuhalten. Doch das sei laut Wendler nur möglich, wenn auch die Prämien angepasst werden. Corona sei zwar aktuell kein Thema mehr, jedoch können durch die entstandenen Lieferkettenengpässe die Betriebsunterbrechungszeiten im Gewerbebereich länger dauern, weil nicht repariert werden kann. „Das muss man auch mit den Gewerbekunden besprechen, weil die versicherte Anzahl der Betriebsunterbrechungstage zu niedrig ist, um hier wirklich gut abgesichert zu sein“, rät Wendler.
„Cyber-Versicherung die neue Feuerversicherung des 21. Jahrhunderts“
Laut der aktuellen AssCompact Gewerbeversicherungsumfrage sieht Österreichs Maklerschaft das höchste Risikopotenzial 2023 in der Cyberkriminalität. Dennoch sei laut Wendler weder im privaten Bereich noch im Gewerbebereich wirklich Awareness vorhanden: „Wir haben sehr viele Anfragen von Kundinnen und Kunden, die sich gerne versichern möchten, aber es fehlen schon vor Ort die ganz normalen Sicherheitsvorkehrungen. Stichwort: Firewall oder dass man ein Konzept bei einem IT-Notfall hat bzw. dass man seine Zugriffsrechte regelmäßig erneuert. Das sind Themen, die vorab erledigt werden müssen und hier ist das Bewusstsein einfach noch nicht ausreichend da. Wenn ich weiß, dass Cyberangriffe kommen können, dann muss ich mich mit der besten und neusten Software dagegen schützen.“
Wendler ist jedoch nach wie vor der Meinung, dass Cyber-Versicherung die neue Feuerversicherung des 21. Jahrhunderts wird. „Dazu stehe ich immer noch. Doch als Erstversicherer benötigen wir vor allem von Rückversicherern Kapazitäten. Denn der große Unterschied zwischen einer Naturkatastrophen-Deckung oder einer Feuerversicherung ist, dass diese sehr regional eingeschränkt vorkommen und wir das auch gut lösen können. Eine Cyber-Attacke kann sich blitzschnell um den ganzen Globus ausbreiten. Das ist ein Risiko, das es gilt, sehr sorgsam zu zeichnen.“
„Jeder Partner muss entscheiden, ob er den direkten Kontakt mit der Versicherungsbranche intensiviert oder sich in einem Verbund vieles erleichtern möchte“
In der Vermittlerbranche ist seit längerem ein Trend hin zu Maklerkooperationen im Gang. Das komme laut Wendler einerseits darauf an, in welchem Bereich sich der „kleine“ Makler spezialisiere und wer seine Zielgruppe sei. „Auf der anderen Seite entstehen Makler-Kooperationen bzw. Makler-Gruppen deswegen, weil es sehr viel administrative Arbeit gibt – Stichwort Datenschutz, IDD – all diese Themen haben auch Makler-Partner zu erfüllen. Auch das Thema Schulungen ist wahrscheinlich in einem Verbund für einen kleineren Makler besser zu finanzieren, als wenn man alleine arbeitet. Aber letztendlich muss es jeder Partner für sich entscheiden, ob er den direkten Kontakt mit der Versicherungsbranche intensiviert oder sich in einem Verbund vieles erleichtern möchte“, erklärt Wendler.
„Ohne den persönlichen Austausch sind Kundinnen und Kunden nicht besser beraten“
Doris Wendler hat bei Ihrem Antrittsinterview als Vorständin gegenüber AssCompact prognostiziert, dass digitale Tools in absehbarer Zeit nicht den direkten Kontakt zu Vertriebspartnern und Kunden ersetzen werden. Auch heute vertritt die Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen diese Meinung: „Versicherung ist ein Low-Interest-Produkt. Das Wichtigste ist also, dass man den Kundinnen und Kunden den Bedarf aufzeigt und Lösungen anbietet. Natürlich kann man sich auch über Internettools darüber informieren, aber ich glaube nicht, dass sich jemand das bewusst ansieht. Deswegen ist die persönliche Beratung umso wichtiger. Digitale Tools sind wichtig, weil sie unterstützen. Sie unterstützen nicht nur in der Beratung mit einem geführten Prozess, sondern sie unterstützen im Geschäftsmodell, Themen effizienter zu machen und schneller abzuwickeln – mit dem Ziel, dass es für die Kundinnen und Kunden dann schneller zur Leistungszahlung kommt oder die Polizzierung schneller erfolgen kann. Digitale Tools helfen, machen uns auch attraktiv. Aber trotz alledem: Ohne den persönlichen Austausch sind Kundinnen und Kunden nicht besser beraten.“
„Wir müssen das Straßennetz per se verändern, damit wir alle mit unseren neuen Mobilitätsformen Platz haben“
Doris Wendler ist seit Ende November 2021 Präsidentin des Kuratoriums für Verkehrssicherheit. Ein Verein, der vor über 60 Jahren gegründet wurde und sich intensiv mit der Entwicklung des Individualverkehrs und den daraus entstehenden Unfallgefahren beschäftigt. „Die Projekte, um die sich das Kuratorium für Verkehrssicherheit kümmert, sind sehr breit und helfen der Versicherungsbranche unterstützend in der Kommunikation, im Risikobewusstsein für die Kundinnen und Kunden“, berichtet Wendler und sagt weiter: „Die Mobilität verändert sich. Wir haben auf unseren Straßennetzen nicht mehr nur die Personen, die mit dem Auto und zu Fuß unterwegs sind, sondern mittlerweile nutzen extrem viele das Rad und den Scooter. Ich bin überzeugt, dass wir das Straßennetz per se verändern müssen, damit wir alle mit unseren neuen Mobilitätsformen Platz haben, und das unterstützt das Kuratorium für Verkehrssicherheit.“
Das gesamte Interview lesen Sie in der AssCompact Juli-Ausgabe!
Foto oben: Doris Wendler, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen
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