Österreich ist beim Bodenverbrauch weiter Europameister im negativen Sinn. Dabei hat der heurige Sommer erneut vor Augen geführt, wie schnell sich Betonflächen in Hitzeinseln verwandeln und welche Kraft das Wasser im Fall von Starkniederschlägen und fehlender Versickerungsmöglichkeit hat.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 9/12/2023
„Faktum ist: Der gegenwärtige Bodenverbrauch von mehr als 11 Hektar Äcker und Wiesen oder umgerechnet im Ausmaß von 16 Fußballfeldern pro Tag gefährdet nicht nur die heimische Lebensmittelproduktion, die Tier- und Pflanzenwelt, den Tourismus etc. Die Verbauung befeuert auch die Auswirkungen von Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen. Daher besteht unverzüglicher Handlungsbedarf. Es braucht ein umfassendes Maßnahmenbündel von raumplanerischen Vorgaben bis hin zu fiskalischen Instrumenten, um das Bodenverbrauchsziel der österreichischen Bundesregierung von höchstens 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 zu erreichen“, so der eingehende Appell des Vorstandsvorsitzenden der Österreichischen Hagelversicherung, Dr. Kurt Weinberger, des WIFO-Direktors Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD und der Autorin der im Rahmen des Pressegesprächs präsentierten und im Auftrag der Österreichischen Hagelversicherung erstellten WIFO-Studie „Steuerpolitische Instrumente zur Verringerung des Bodenverbrauchs in Österreich“, Dr. Margit Schratzenstaller.
Der einflussreiche Ökonom Gabriel Felbermayr prognostiziert einen massiven Wohlstandsverlust und Abhängigkeiten, wenn die Eindämmung des hohen Bodenverbrauchs nicht jetzt in Angriff genommen wird.
Eine Reihe bestehender Steuern sind ein Impulsgeber für den Bodenverbrauch. Das ist weder ökonomisch noch sozial vernünftig und geht auch zu Lasten der Umwelt. Eine Strukturreform kann eine Mehrfachdividende bringen: Indem man die bodenvernichtenden Gemeindesteuern adaptiert, erzielt man positive Umwelteffekte. „Es braucht beim Bodenverbrauch eine – im wahrsten Sinne des Wortes – bodenständige Reform, beispielsweise bei der Kommunalsteuer. So kann eine verpflichtende interkommunale Teilung des Kommunalsteueraufkommens helfen, Anreize für Umwidmungen zu verringern und Zersiedelung einzudämmen. Gegenwärtig werden ja bauwütige Gemeinden mit ihren Gewerbeparks etc. über die Kommunal- und Grundsteuer belohnt, dabei sollen aber bodenschonende Gemeinden honoriert werden,“ ist die anerkannte Ökonomin Margit Schratzenstaller überzeugt.
Es brauche beim Bodenverbrauch einen Maßnahmenmix nach den Prinzipien Vermeiden, Wiederverwerten und Intensivieren. In dem Zusammenhang muss auch die Frage gestattet sein, ob die gegenwärtigen Steuern auch richtig steuern. „Bei der Kommunalsteuer, die auf Gemeindeebene eingehoben wird, sage ich ‚Nein‘“, so Kurt Weinberger, der erläutert: „Jeder Bürgermeister hat ein Anreizsystem, Genehmigungen für Gewerbezentren zu erteilen, weil er daraus Einnahmen lukriert. Wir haben aber in Österreich ohnedies bereits die höchste Anzahl an Supermärkten pro 100.000 Einwohner in Europa, nämlich 60. In Deutschland mit einer geordneteren Raumordnung sind es 40. Die Konsequenz: Bei uns sind die Lebensmittelpreise um 15% höher! Wir bezahlen also beim Einkauf für eine falsche Raumordnung.“
Finanzausgleich kann dem Bodenverbrauch entgegenwirken
Heuer ist wieder ein Jahr des Finanzausgleichs, wo zwischen Bund, Ländern und Gemeinden für die kommenden Jahre die Aufteilung von Steuereinnahmen verhandelt wird. Im Grunde eine große Chance, Dinge zum Besseren zu wenden, den Bodenverbrauch gesetzlich zu limitieren und einen sorgsamen Umgang mit den Äckern und Wiesen in den Finanzausgleichsverhandlungen entsprechend zu berücksichtigen.
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