In vielen langfristigen Lebensversicherungen hat der Bezugsberechtigte das Recht, anstelle der Auszahlung von Versicherungssumme und Gewinnbeteiligung die Zahlung einer lebenslangen Rente zu verlangen. Vor genau einem Jahr habe ich mich damit schon einmal beschäftigt, doch handelt es sich um ein Thema mit einer gewissen Brisanz, weshalb der OGH in 7 Ob 51/24m vom 19.6.2024 „nachschärfen“ musste.
Artikel von:

Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Der VN schloss im Jahre 2007 eine Fondsgebundene Lebensversicherung, ausgestaltet als Kapitalversicherung mit Rentenwahlrecht, ab. Die Laufzeit betrug 25 Jahre. Im Versicherungsvertrag waren eine Kapitalgarantie, eine Höchststandsgarantie und eine Rentenwahlklausel enthalten. Der VN konvertierte aufgrund der aus seiner Sicht ungünstigen Entwicklung des Produkts seinen Vertrag 2015. Das geänderte Produkt enthielt keine Kapital- oder Höchststandsgarantie mehr, was dem VN bewusst war. Er dachte, damit falle auch das Rentenwahlrecht weg, wobei ihm das nicht mehr wichtig war. Das neue Produkt sieht aber weiterhin ein Rentenwahlrecht vor, welches der VN mit Ende der Ansparphase per 1.10.2032 ausüben kann. Der VN begehrt die Rückzahlung der von ihm geleisteten Nettoprämien samt Zinsen seit dem Vertragsschlusszeitpunkt wegen Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Seine Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Parteien und die Vorinstanzen gehen zu Recht von der Unwirksamkeit der hier vereinbarten Rentenwahlklausel aus. Ob die Streichung einer missbräuchlichen Klausel die Nichtigkeit des übrigen Vertrages zur Folge hat, ist in Artikel 6 Abs. 1 Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) geregelt. Dieser sieht vor, dass der Vertrag für beide Parteien bindend bleibt, sofern er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. Dabei ist nationales Recht anzuwenden. Für das Zustandekommen des vom Versicherer vorzunehmenden Angebots zur konkreten Höhe der Rente besteht kein freies Ermessen, es ist vielmehr an die regulatorischen Vorgaben des Aufsichtsrechtes gebunden. Die konkrete Ausgestaltung des Rentenwahlrechtes kann nur über eine zum Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechtes zu erzielende Einigung festgelegt werden, für die sowohl aufsichtsrechtliche Vorgaben als auch gesetzliche Informationspflichten vorgesehen sind. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass der Wegfall der Rentenwahlklausel hier nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages zwischen den Streitteilen führt.
Kommentar
Der OGH hat die Rentenwahlklausel in Verbandsprozessen als intransparent beurteilt (7 Ob 186/20h, 7 Ob 97/22y). Daraufhin gab es heftige Kritik in der Lehre (vor allem Schauer, ZVers 2022,1; Konwitschka, VbR 2023/27). „Intransparenz“ besteht nach Ansicht des OGH nämlich darin, dass bei Abschluss des Vertrages die Höhe der Rente nicht bestimmt werden kann, weil weder die Lebenserwartung noch die Zinsentwicklung für längere Zeiträume verlässlich vorhergesagt werden können. Bereits in 7 Ob 153/22h ist der OGH zurückgerudert, betrachtet die mangelnde Bestimmtheit der Rentenhöhe zwar noch immer als intransparent, lässt aber wenigstens das Wahlrecht als solches zu. Mit dieser neuen Entscheidung hat der OGH zweifellos eine pragmatische Lösung geschaffen. Es bleibt nun den Versicherungen überlassen, zwischen der systemimmanenten Intransparenz und den berechtigten Wünschen der Kunden ein Produkt zu gestalten, das sowohl den Konsumentenschützern als auch dem OGH gefällt.
Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact November-Ausgabe!
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren