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IDD: Komplexe Materie, viele offene Fragen

IDD: Komplexe Materie, viele offene Fragen

30. September 2019

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8 Min. Lesezeit

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News-Management & Wissen

Wie läuft die Umsetzung der Vermittlerrichtlinie IDD in der Praxis? Das war Thema einer Tagung des Forschungsinstituts für Privatversicherungsrecht an der Universität Salzburg.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 9/30/2019

Dr. Ludwig Pfleger, Leiter des Teams Business Conduct in der FMA, referierte über die Erfahrungen der Versicherungsaufsicht nach den ersten Vorortprüfungen bei Versicherern. Auffassungsunterschiede habe es z.B. darüber gegeben, was man sich unter Wünsche- und Bedürfnistest vorstellen soll. Pfleger stellte klar: „Ihre Verpflichtung ist es, sämtliche Informationen vom Kunden einzuholen, um seine Wünsche und Bedürfnisse zu erkennen und dann ausschließlich Produkte anzubieten, welche seinen Wünschen und Bedürfnissen entsprechen.“ Dieses Problem könne man nicht durch Scheuklappen aus der Welt schaffen, indem man die Bedürfnisse nach den Produkten ausrichte.

Weiterbildung – wer ist betroffen?

Was die Weiterbildungsverpflichtung und den Kreis der am Vertrieb mitwirkenden Personen betrifft, war sich Pfleger mit dem auf ihn folgenden Referenten Prof. Mag. Erwin Gisch, Geschäftsführer des Fachverbands der Versicherungsmakler, nicht ganz einig: „Mitwirkung ist immer aus Kundensicht zu sehen. Bin ich Kontaktstelle zum Kunden, dann ist das eher Vertriebstätigkeit“, so Pfleger. Der reine Schadenbetreuer sei daher von der Weiterbildungsverpflichtung ausgenommen. Dem widersprach Gisch: Als Anwendungsbereich der Weiterbildungsverpflichtung gelte laut Versicherungsaufsichtsgesetz nicht nur der Point of Sales, sondern gehe weit darüber hinaus: „Auch der Mitarbeiter der Schadenabteilung ist von der Weiterbildungsverpflichtung betroffen, auch wenn man ihn gemeinhin nicht mit Vertriebsaufgaben in Verbindung bringt!“

„Auf Intention der IDD besinnen“

Prof. Gisch unterstrich in seinem Referat, dass so manche Detailfrage der Weiterbildungsverpflichtung noch nicht endgültig beantwortet sei, etwa die Frage, ob die 15 Stunden Weiterbildung auch für unterjährig eingestellte und/oder ausscheidende Beschäftigte gelten? „Es gibt dazu keine Anmerkungen und Verweise“, so Gisch, „ich bin der Meinung, dass man sich auf die Intention der IDD besinnen soll. Die IDD kennt das Kalenderjahr nicht, sondern nur „per anno“ – eine aliquote Weiterbildungsverpflichtung wäre meiner Meinung nach anzuwenden.“ Eine entsprechende Anfrage an das Wirtschaftsministerium sei seit Monaten unbeantwortet. Eine klare Position vertritt Gisch auch hinsichtlich vor Inkrafttreten des Lehrplans im Jahr 2019 absolvierte Schulungen: „Jede Schulung ab 1.1.2019, die den Anforderungen inhaltlich entspricht, ist für die Anrechnung geeignet.“

Statusklarheit und „Abgrenzungsprobleme“

Interessante rechtliche Erkenntnisse zur Statusklarheit und zur Nebentätigkeit stellte Univ.-Prof. Michael Gruber, Vorstand des Instituts für Privatversicherungsrecht vor. „Die IDD sieht vor, dass jene, die bisher eine nicht ausdifferenzierte Gewerbeberechtigung hatten, sich bis 28.01 entscheiden müssen, ob sie als Makler oder Agent arbeiten“, so Gruber. Seine Expertise: Es gebe etwa für einen Agenten, der auch in Zukunft Makler sein wolle, Umgehungsmöglichkeiten, indem er beispielsweise eine GmbH oder ein Einzelunternehmen gründe, das nicht unter seinem Namen firmiere.

Auch das Thema „Nebentätigkeit“ berge ungelöste Fragen. „Die Frage, die man sich stellen kann: Was ist Nebentätigkeit? Es muss ein Zusammenhang mit dem Hauptgewerbe bestehen. Die vermittelte Versicherung muss eine Ergänzung zu den Waren und Dienstleistungen sein, die der Händler verkauft bzw. anbietet.“ Ein Kfz-Händler werde zwar keine Unfallversicherung anbieten können, bei der Sparte Rechtsschutz sei das aber nicht mehr so klar. „Stellen Sie sich vor, der Kfz Händler verkauft Versicherungen, ohne gleichzeitig ein Auto zu verkaufen. Das geht aus meiner Sicht nicht. Aber da wird es noch einiges an Abgrenzungsproblemen geben“, so Gruber.

Diskussion: Erste Erfahrungen mit der IDD

Nach den Impulsreferaten diskutierten – moderiert von AssCompact-Herausgeber Franz Waghubinger – Manuel Tauchner, MBA, Mitglied des Managementboards der Wüstenrot Gruppe, Bianca Konrath-Gocumyan, Prokuristin der OVB Allfinanzvermittlungs GmbH, Versicherungsmakler Ing. Mag. Herbert Orasche und Versicherungsagent Alfred Huber über ihre ersten Erfahrungen mit der IDD Umsetzung.

Moderator Franz Waghubinger skizzierte einleitend, wie die Vermittlerlandschaft in Österreich strukturiert ist: „Ein Maklerbetrieb hat durchschnittlich 1,4 Mitarbeiter. Das bedeutet im Prinzip sehr oft eine One-Man-Show mit Backoffice-Unterstützung.“

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass die IDD die Versicherungslandschaft nachhaltig verändern wird: „Der durchschnittliche Makler macht 100.000 Euro Jahresumsatz“, so Makler Herbert Orasche, „viele sind mit der IDD massivst überfordert und flüchten in Maklerkooperationen.“ Keiner habe sich den Mehraufwand durch die IDD gewünscht, sie sei aber auch eine Chance.

Weniger „One-Man-Shows“

Alfred Huber sah auch bei den Agenten viele Parallelen mit den Maklern: Auch bei den gebe es viele One-Man-Shows. „Was sicher eine Herausforderung wird, ist der Wust an IDD-Vorgaben. Die Weiterbildungsverpflichtung ist ja nur ein Teil, dazu kommen auch strengere Dokumentationspflichten, etc.“ Hubers Prognose: „Es werden einige ihre Gewerbescheine zurücklegen und es wird bei den One-Man-Shows zu Konzentrationen kommen wird, um das Backoffice finanzieren zu können, da wird sehr viel passieren!“

OVB-Prokuristin Bianca Konrath-Gocumyan verwies darauf, dass es Aufgabe der Gesellschaften sei, den eigenen Vertrieb und zu schulen und zu unterstützen. Wichtig sei es auch, dass man den Vertrieb sensibilisiert, genau zu dokumentieren: „Wenn uns die Dokumentation nicht lückenlos gelingt, ist der Berater in der Haftung!“

„Aufwand rechtfertigt Geschäft nocht mehr“

Manuel Tauchner ergänzte: „Wir sind in der Wüstenrot den Weg gegangen, einen umfassenden Bedürfnistest zu entwickeln und eine Bedarfserhebung zu machen. Das erfordert IDD Kenntnisse. Das ist im Kundeninteresse sehr wichtig.“ Es müsse aber für den Berater weiterhin legitim sein, mit seiner Expertise den Kundenbedarf herauszuarbeiten. Und Alfred Huber ergänzte: Wichtig sei vor allem, zu dokumentieren, welche Bereiche nicht beraten wurden und warum nicht. Das Haftungspotenzial für Berater steige jedenfalls massiv, so Herbert Orasche: „Wir haben Beweislastumkehr, ich muss mich ja frei beweisen. Der Aufwand, den wir haben, rechtfertigt in manchen Fällen das Geschäft nicht mehr.“

Als kontraproduktiv erachteten die Diskussionsteilnehmer die überbordenden Informationspflichten: „Ob das wirklich kundenfreundlicher ist, bezweifle ich“, so Agent Alfred Huber, „der Kunde will sich das gar nicht durchlesen.“ Der zusätzliche Aufwand durch die IDD erfordere, besonders im Privatgeschäft zu prüfen, welcher Kunde sich rechnet und welcher nicht. „Viele Makler müssen sich fragen: Mache ich da überhaupt noch Geschäft“, so Herbert Orasche.

Mit seinem ironischen Fazit hatte Moderator Franz Waghubinger die Lacher auf seiner Seite: „Es wird dem Gesetzgeber nicht gelingen, uns vom Kunden wegzubringen. Der Kunden braucht den Kontakt mit uns!“

Foto (v.l.): Bianca Konrath-Gocumyan, Manuel Tauchner, Herbert Orasche, Alfred Huber und Moderator Franz Waghubinger. (©AssCompact)

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