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OGH: Lebensversicherer muss Unterlagen nach Vertragsende herausgeben

OGH: Lebensversicherer muss Unterlagen nach Vertragsende herausgeben

23. November 2018

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5 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

In einem aktuellen Urteil verpflichtet der Oberste Gerichtshof (OGH) den Versicherer zur Herausgabe von Vertragsunterlagen. Geklagt hatte ein Kunde, der vier Jahre nach Leistungsbeginn verschiedene Abschriften seines Vertrags gefordert hatte.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 11/23/2018

Der Kläger hatte eine Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn am 1. September 2003 abgeschlossen. Er hatte sich für eine Kapitalabfindung entschieden, die ihm zu Leistungsbeginn am 1. September in Höhe von rund 24.900 Euro ausbezahlt wurde.

In seiner Klage vom 26. Mai 2017 forderte der Versicherte verschiedene Abschriften und Informationen zu seinem Vertrag: Antrag, Klauselverzeichnis, Langtext der Klauseln, Allgemeine und Besondere Bedingungen, Einzahlungsdaten, Wertstand des Vertrags zum letzten Jahres-, bzw. Monatsultimos sowie sämtliche Erklärungen über den Inhalt des Antrags. Er benötige diese Unterlagen, um vertragliche und gesetzliche Schadenersatzansprüche zu beurteilen und sie gegebenenfalls gerichtlich geltend machen zu können. Die Ansprüche wegen unrichtiger (Rücktritts-)Belehrung und wegen (eventuell) möglicher Anfechtung des Vertrags wegen Arglist seien noch nicht verjährt.

§ 3 VersVG

(2) Ist ein Versicherungsschein abhanden gekommen oder vernichtet, so kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Ausstellung einer Ersatzurkunde verlangen. Unterliegt der Versicherungsschein der Kraftloserklärung, so ist der Versicherer erst nach der Kraftloserklärung zur Ausstellung verpflichtet.

(3) Der Versicherungsnehmer kann jederzeit Abschriften der Erklärungen fordern, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Der Versicherer hat ihn bei der Übermittlung des Versicherungsscheins auf dieses Recht aufmerksam zu machen. Braucht der Versicherungsnehmer die Abschriften für die Vornahme von Handlungen gegenüber dem Versicherer, die an eine bestimmte Frist gebunden sind, und sind sie ihm nicht schon früher vom Versicherer ausgehändigt worden, so ist der Lauf der Frist von der Stellung des Begehrens bis zum Einlangen der Abschriften gehemmt.


Erstgericht wies Klage ab

Der Versicherer entgegnete, dass der Vertrag zum 1. September 2013 geendet habe und der Herausgabeanspruch spätestens drei Jahre nach Vertragsende erloschen sei. Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Versicherungsverhältnis sei beendet und vollständig abgewickelt. Seither seien bis zur Einbringung der Klage mehr als drei Jahre vergangen, sodass der Anspruch verjährt sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil, ließ aber die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung des OGH zur Frage zu, wie lange ein Versicherungsnehmer berechtigt sei, die in § 3 Abs 2 und 3 VersVG geregelten Rechte auszuüben.

Auskunftspflicht verjährt mit Hauptleistungen

Der OGH (7Ob221/17a) beurteilte die Revision des Klägers als teilweise berechtigt. Mit der Auskunftspflicht nach § 3 VersVG hatte er sich bisher noch nicht auseinandergesetzt. Die Auskunftspflicht sei eine Nebenleistungspflicht – diene sie doch dazu, dass sich der Versicherte über die relevanten Bestimmungen seines Vertrags informieren und seine Rechte wahren könne. Sie bestehe nur so lange, wie noch Hauptleistungspflichten aus dem Vertrag bestehen und verjähre mit diesen. Diesbezügliche Ansprüche bestehen während des Vertrags jederzeit, nach seiner Beendigung nur bis zur vollständigen Abwicklung – also so lange, bis keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mehr geltend gemacht werden können. Der Versicherte müsse in der Klage darlegen, dass ihm noch ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zustehen könnte.

Bei unklarer Rechtslage muss Versicherer nach Treu und Glauben handeln

Dem beklagten Versicherer musste laut OGH zwangsläufig weit vor Ablauf von drei Jahren nach Abrechnung des Lebensversicherungsvertrags (September 2016) bekannt sein, dass aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Endress/Allianz vom 19.12.2013 eine unklare Rechtslage dazu besteht, ob und unter welchen Voraussetzungen den Versicherungsnehmern allfällige Ansprüche wegen unrichtiger Rechtsbelehrung über ihr Rücktrittsrecht zustehen. Eine umfassende Klärung der Rechtslage sei bislang auch noch nicht erfolgt. Der Versicherer müsse bei bekannt unklarer Rechtslage seinen Nebenleistungspflichten nach Treu und Glauben so lange nachkommen, bis Klarheit durch Gesetz und Judikatur geschaffen wurde.

Ansprüche teilweise berechtigt

Der Kläger könne daher Ansprüche nach § 3 VersVG geltend machen. Umfasst von der Auskunftspflicht (§ 3 Abs 3 VersVG) seien jedenfalls vom Versicherungsnehmer oder in seinem Namen abgegebene Erklärungen wie der Versicherungsantrag, die Erstpolizze und die Versicherungsbedingungen. Auskünfte, die sich auf einzelne Prämienzahlungen oder die Summe der einbezahlten Prämien beziehen, fallen hingegen nicht unter die Auskunftspflicht.

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