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Die Rechtsschutzversicherung – wie geht’s weiter?

Die Rechtsschutzversicherung – wie geht’s weiter?

11. Juni 2018

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6 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Die Rechtsschutzversicherung ist die Sparte mit dem größten Erklärungsbedarf, mit den kompliziertesten Leistungsinhalten, den schwierigsten Bedingungen, den unverständlichsten Deckungsablehnungen und es ist meist derjenige Schaden nicht versichert, den man gerade hat. Dabei sollte doch alles versichert sein, man zahle ja ohnehin eine hohe Prämie!

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 6/11/2018

Von Dr. Helmut Tenschert, Versicherungsmakler und Rechtsschutzexperte

Soweit die wenig realitätsnahe Sichtweise der Kunden. Die Vermittler hingegen sagen nicht zu Unrecht, die geringen Beiträge im Privatkundenbereich mit niedrigen Provisionen verbunden mit hohem Haftungsrisiko verursachen vorwiegend viel Arbeit.

Aus der Sicht der Anbieter ist die Rechtsschutzversicherung von der Ertragsseite her zunehmend weniger attraktiv: steigende Schadensfrequenzen, begleitet von kontinuierlich wachsenden Kostenbelastungen und seit vielen Jahren stagnierenden Prämien. Dazu kommt noch ein Gesetzgeber, der seit Jahrzehnten die Konsumentenrechte massiv ausbaut und stärkt. IDD und die DSGVO werden zusätzliche Herausforderungen bringen. Mit einer Rechtsprechung, die Begehrlichkeiten anheizt, sowie immer besser aufgeklärten Kunden durch freie Versicherungsberater ist diese Mixtur wirklich Gift für attraktive Margen.

Unverhältnismäßig viele Streitigkeiten

Der Wunsch der Anbieter nach Veränderung ist nachvollziehbar. Wegen des anhaltenden harten Konkurrenzkampfes sind Prämienanpassungen kaum möglich bzw. durchsetzbar. Daher wurde hier ein Weg beschritten, den ich nur sehr bedingt für erfolgsversprechend halte, nämlich die Einschränkung der Leistungen: Eine stetig fortschreitende inhaltliche Aushöhlung der Bedingungen mit gleichzeitig restriktiveren Beurteilungen der Eintrittspflicht in Schadenfälle. Dieser Umstand wird durch eine der Bestandsgröße der Sparte nicht adäquate und unverhältnismäßig hohe Anzahl von Deckungsprozessen mit daraus resultierenden Entscheidungen des Oberstgerichts nachdrücklich untermauert. Sowohl die RSS (Schlichtungsstelle der Versicherungsmakler) wie auch die nach dem „Alternative-Streitbeilegung-Gesetz“ (AStG) eingerichtete Schlichtungskommission sehen die Problemfälle aus der Rechtsschutzversicherung im Vorderfeld. Aus meiner Beratertätigkeit für Versicherungs-Schadenfällen nur bestätigen.

Mangelhafte Transparenz

Wenn man sich die Entwicklung des Umfangs der Vertragsgrundlagen (ARB) ansieht, ist der Umstand leicht zu erklären: Zu Beginn meiner Branchentätigkeit – zugegeben, er liegt sehr lange zurück – umfassten die damaligen ARB sagenhafte vier Seiten, heute liegen wir bei 25 und mehr. Da kann wohl niemand behaupten, dass dies die Verständlichkeit und Transparenz fördert.

Immer mehr und immer schwieriger begreifbare Bestimmungen – wie in vielen Wirtschaftsbereichen – sollen Klarheit schaffen, doch genau das Gegenteil ist der Fall. Es wird zwar registriert, achselzuckend akzeptiert, doch das Treiben wird munter fortgesetzt.

So weit, so ungut – aber wie soll die Rechtsschutzversicherung für alle Beteiligten ansprechender und besser gestaltet werden?

Welche Risiken versichern?

Einer der Wege – die teilweise bereits beschritten wurden – liegt in der Zurückdrängung versicherungsunwürdiger Risiken. Es ist eine bekannte Tatsache, dass häufig eintretende Ereignisse, die sowohl von Anzahl und Kosten leicht abschätzbar sind, in Versicherungen eigentlich nichts verloren haben. In diesem Sinne habe ich etwa schon vor Jahren vorgeschlagen, unbestrittene Forderungen aus Rechnungen im Unternehmergeschäft an Inkassoinstitute auszulagern. Erfreulicherweise bedienen sich heute viele Gesellschaften dieses Modells. Diesen Weg könnte man weiter beschreiten, indem beispielsweise die außergerichtliche Auseinandersetzung zwingend einer entsprechenden Schlichtungsstelle zugewiesen wird und ohne Anrufung derselben eine Klage vor dem Zivilgericht nicht möglich wäre. Der Gesetzgeber hat diesen Weg schon vorgezeichnet und einige derartige Gesetze beschlossen.

Wichtig wäre des Weiteren, die Kombinationsprodukte von „Leistungen“, die doch ständig vor allem zu Unverständnis und Streit führen, zu befreien. Hier fällt mir z.B. der Familien- und Erbrechtsschutz ein, da muss schon einiges an Ausschlüssen und Einschränkungen umschifft werden, bis am Ende ein gedeckter Schaden herauskommt. Oder ein „Steuergerichts-Rechtsschutz“, der sicher nicht das hält, was er von der Bezeichnung her dem Kunden verspricht. Ist das wirklich notwendig? Es gäbe noch viele weitere Beispiele…

Blick auf das Wesentliche

Quintessenz: Aufbau einer Produktschiene, die bei Reduktion auf das Wesentliche, unter Weglassung aller behübschender, aber weitgehend überflüssiger Beiwerke, auf volle Klarheit setzt – fürs Erste parallel zu den üblichen Konzepten.

Und zum Abschluss eine revolutionär anmutende Anregung: Neue und dem Gebot der Zeit angepasste Bedingungen! Die heutigen ARB fußen auf Bedingungswerken, die auf die Geburtsstunde der Rechtsschutzversicherung in Österreich zurückgehen, also in die Fünfziger- und Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Mit „zeitgemäß“ hat das nur wenig zu tun. Es ist ähnlich zu sehen wie die x-te Novelle des ASVG, die mit jeder Variante noch unverständlicher wird. Zukunftsorientierung gleich Null.

Die Formulierung neuer Bedingungen ist natürlich eine Mammutaufgabe, aber das sollte kein Hindernis für den Start dieses zukunftsweisenden Projektes sein.

Der Artikel erscheint auch in der AssCompact Juni-Ausgabe.

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